Für die Herstellung mancher Bauteile existieren in Deutschland nur eine Handvoll Maschinen.

Alles hausgemacht

Während große Konzerne durch das Outsourcen von Produktionsprozessen Kosten sparen, verbessert der Nischenanbieter THUN.Automotive seine Profitabilität und Marktposition durch ein konsequentes Insourcing.

Beim Automobilzulieferer THUN.Automotive interessiert man sich bei einem Auto nicht zuerst für die Bauteile, sondern vor allem für die Werkzeuge, mit denen diese gefertigt werden. Die Komplexität moderner Fahrzeuge ist beeindruckend. Sie erfordert heute Hunderte Spezialwerkzeuge und Maschinen. Bei der THUN.Automotive versucht man daher, so viele wie möglich davon in den eigenen Produktionsstätten zu integrieren.

Ein Auto besteht gegenwärtig aus mehr als 10.000 Einzelteilen. Enorme 80 Prozent werden von der Zulieferindustrie produziert, die ihrerseits auch wieder viele Fertigungsschritte auslagert. Vor diesem Hintergrund kann der Besitz der nötigen Werkzeuge für einige Kleinbauteile einen wichtigen Wettbewerbsvorteil bedeuten.

Diese lassen sich nämlich nicht einfach als konfektionierte Anlagen kaufen, sondern wurden für die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Bauteils konstruiert, oft als Marke Eigenbau in den Werkstätten der Zulieferer. Für manche Bauteile existieren in Deutschland nur eine Handvoll Maschinen. Plant ein Wettbewerber, in einem entsprechenden Segment aktiv zu werden, müsste er zunächst zu sehr hohen Kosten die erforderlichen Maschinen konstruieren oder Komponenten von jenen Unternehmen zuliefern lassen, die über diese Werkzeuge verfügen.

Ein gut bestückter Werkzeugkasten

Die THUN.Automotive investiert daher seit vielen Jahren auch in den Besitz vielfältiger Werkzeuge. Eine Strategie, die sich als Vorteil für die Sicherung und den Ausbau der eigenen Marktposition erweist.

Die Komplexität moderner Fahr­zeuge ist be­eindruckend. Sie er­fordert heute Hunderte Spezial­werk­zeuge und Maschinen.

Die fortwährende Bestückung des firmeneigenen Werkzeugkastens gelingt zum Beispiel durch strategische Übernahmen von Wettbewerbern, die stets auch mit Blick auf die im Betrieb befindlichen Werkzeuge, Maschinen und Kompetenzen identifiziert werden. Ziel ist es, den eigenen Werkzeugkasten im Detail immer weiter zu ergänzen, sinnvolle Erweiterungen für die eigenen Maschinen zu finden und Know-how in der Bedienung zusammenzuführen.

In der Produktionsstätte im kleinen Ort Gevelsberg mitten im Ruhrpott stampfen Maschinen im monotonen Takt, es wird gehämmert, gepresst, gebogen, geschweißt, verstaucht, elefantiert und gebohrt. Glänzende Metallteile purzeln in Kisten, im Jahr summiert sich das auf Abermillionen Bauteile. Was das Auge des Laien nicht gleich bemerkt, ist das effiziente Tuning der Anlagen. Was äußerlich nach klassischem Industrie-Accessoire aussieht, wird im Detail penibel konstruiert, auf Leistung getrimmt und für den Ausbau der eigenen Fertigungstiefe ausgelegt. Eigens entwickelte Vorrichtungen an Maschinen ermöglichen das automatische Zuführen der Rohlinge, an unscheinbaren Anlagen werden komplizierte Arbeitsschritte ausgeführt, die früher an externe Zulieferer vergeben wurden.

Man behält so viel wie möglich im Haus. Auch wenn das der gängigen Überzeugung widerspricht, dass man durch Outsourcen Kosten spart. Warum das nicht zwangsläufig stimmt, lässt sich am Beispiel einer Verzurröse erklären.

Großer Aufwand für eine kleine Feder

Premiumhersteller wie Mercedes-Benz bauen dieses Produkt im Kofferraum ihrer Fahrzeuge ein. Ein eigentlich banales Bauteil, das aber gleich mehrere Techniken der Metallverarbeitung, unterschiedliche Werkzeuge und Maschinen erfordert. Der kleine Ring samt Halterung muss am Ende einer Kraft von einer Tonne widerstehen können. Eine unscheinbare Komponente darin ist die winzige Flachfeder an der Halterung, nicht größer als eine Fünf-Cent-Münze. Lange Zeit beauftragte die THUN.Automotive einen Zulieferer mit der Produktion dieser Feder, mittlerweile verfügt man über das nötige Werkzeug und Know-how, um sie selbst zu produzieren.

Das lohnt sich, weil bei Kleinteilen wie diesem die Auslagerung der Produktion einen großen logistischen Aufwand bedeutet, zum Beispiel für das Verpacken, die Prüfung der aus- und eingehenden Ware, das Qualitätsmanagement oder die Reinigung der Teile vor der Weiterverarbeitung. Allein das Prüfen der extern produzierten Federn verursachte mehr Kosten als heute die gesamte Fertigung im Haus.

Man behält so viel wie möglich im Haus. Auch wenn das der gängigen Über­zeug­ung wider­spricht, dass man durch Out­sourcen Kosten spart.

Deshalb behält man bei THUN.Automotive so viel wie möglich in der eigenen Werkstatt. Alles aus einer Hand zu liefern, gelingt nämlich den wenigsten Wettbewerbern. Den meisten fehlen dazu schlicht die nötigen Werkzeuge und Maschinen.

August 2015